Sein Leben, seine Familie
Das Geschlecht von Alten ist eines der ältesten in Niedersachsen. Seine Niederlassung im Fürstentum Calenberg lässt sich zurückverfolgen bis in die Zeit Carls des Großen * (768-814). Die Wilkenburger Linie wurde erstmals 1182 erwähnt. Das Rittergut Wilkenburg, zu dem seinerzeit noch ein Herrenhaus gehörte, kam 1215 in den Besitz der Familie von Alten.
Der Vater Carls, der Hof- und Kanzleirat August-Eberhard von Alten, Erb- und Gerichtsherr auf Gut Wilkenburg und Sundern, lebte mit seiner Frau Henriette, einer Tochter des Freiherrn von Vincke aus Osterwalde, bis 1759 in Wilkenburg. August-Eberhard übernahm nach dem Tod seines Onkels Bodo Christoph von Alten dessen Posten als königlich großbritannischer, kurfürstlich hannoverscher Oberhauptmann zu Burgwedel, und die Familie zog um in das Amtshaus in Burgwedel.
Carl von Alten wurde am 20. Oktober 1764 als neuntes Kind der Familie im Wilkenburger Stadthaus in Hannover geboren und in der hannoverschen Hof- und Stadtkirche St. Johannis auf den Namen "Carl August" getauft. Taufpate war Prinz Carl von Mecklenburg, Vater der späteren Königinnen Friederike von Hannover und Luise von Preußen und Chef des Garde-Infanterie-Regiments in Hannover. Carls Mutter starb bereits 1767 im Alter von 31 Jahren.
Es war die Zeit der Personalunion (1714 - 1837) des Kurfürstentums Hannover (Braunschweig und Lüneburg) und des Königreichs Großbritannien; der welfische Kurfürst von Hannover saß als König auf dem Thron in London.
Mit 12 Jahren besuchte Carl von Alten das Georgianeum in Hannover, eine Pagenschule (eine Art Kadettenanstalt). Hier wurde der Grundstein für Carls militärische Laufbahn gelegt. Mit 17 Jahren trat er als Fähnrich in das hannoversche Infanteriebatallion seines Patenonkels ein, mit 21 Jahren war er Leutnant. Carl erweckte Aufmerksamkeit durch sein strategisches Denken. 1785 lernte er den Feldherrn, Militärreformer und Herausgeber einer militärischen Zeitschrift, Gerhard von Scharnhorst (1755 - 1813), kennen und es begann Carls große Karriere. 1789 wurde er Exerzier-Offizier, ein Jahr später Oberadjutant des kommandierenden Generals Feldmarschall von Reden. Das brachte dem 26-jährigen eine Beförderung zum Capitän ein.
Neben den militärischen Wissenschaften studierte Carl mit großem Engagement Philosophie, Geschichte und Sprachen.
Die Revolutionskriege (Befreiungskriege) der folgenden Jahre, in denen das Bündnis Großbritannien, Preußen, Niederlande und Spanien gegen Frankreich stand, führten von Alten mit den hannoverschen Truppen in die habsburgischen Niederlande. Nachdem die Franzosen das hannoversche Heer in der Festung Menin 3 Tage lang eingekesselt hatten, gelang am 30. April 1794 der legendäre Ausbruch unter Generalleutnant Rudolf von Hammerstein nach einem Plan von Gerhard von Scharnhorst gegen eine zehnfache Übermacht. Carl von Alten führte bei dem Ausbruch die Infanterie als Capitän an und verhalf der kurhannoverschen Armee zu großen Ehren.
Die Erfahrungen aus diesem Einsatz schrieb von Alten nieder. Seine „Vorschläge für die Ausbildung der Leichten Truppen im zerstreuten Gefecht" fanden so große Beachtung, dass sie fortan als Grundlage des Exerzier-Reglements für die hannoversche Infanterie diente.
Auf Initiative des Feldmarschalls Graf Wallmoden avancierte Carl von Alten 1795 vorzeitig zum Major und 1802 zum Oberstleutnant.
Nachdem sich das Kurfürstentum Hannover zwischenzeitlich gegen die Besetzung durch die wechselnden Bündnissen verpflichteten Preußen wehren musste, ließ Napoleon 1803 seine französischen Truppen einmarschieren. Am 3. Juni 1803 mussten die hannoverschen Truppen bei Sulingen gegen die große Übermacht der Franzosen kapitulieren. Die Franzosen besetzten das Kurfürstentum und lösten das hannoversche Heer auf.
England setzte im Bündnis mit Russland, Österreich und Schweden den Kampf gegen Frankreich zur Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichtes mit allen Mitteln fort.
Carl von Alten sammelte die hinter die Elbe ins Herzogtum Lauenburg versprengten Truppenteile zusammen und organisierte von Husum aus die Überfahrt nach England.
In der 1803 unter König Georg III. (1738 - 1820) gebildeten "Kings German Legion" begann für Carl von Alten eine Karriere als Heerführer, die in die europäische Geschichte eingehen sollte; vergl. Seite 6 ff.
Bei all den Einsätzen erfreute sich von Alten hoher Achtung und großer Beliebtheit bei seinen Soldaten.
Carl von Altens Brüder Victor und Franz machten ebenfalls in der Legion Karriere. Gemeinsam mit Carl wurde Victor im Dezember 1804 zum Oberst, und nach der Eroberung der Festung Vlissingen auf der Insel Walcheren 1809 zum Generalmajor befördert.
Franz von Alten, der sich auf der Mittelmeer-Expedition unter General Spencer mehrfach ausgezeichnet hatte, brachte es bis zum Oberstleutnant.
Herr auf Wilkenburg war zu dieser Zeit August Georg von Alten, Sohn von Carls verstorbenem Bruder Ernst Bodo. Nach dem Tod August Georgs im Jahre 1810 drängten die Geschwister Franz, die Verwaltung des Wilkenburger Familiensitzes zu übernehmen. Daraufhin nahm Franz von Alten Anfang 1811 seinen Abschied aus dem Militärdienst, um den Auftrag der Geschwister zu erfüllen.
Prinzregent Georg IV. (1762 - 1830), der seit 1810 die Regierungsgeschäfte seines kranken Vaters Georg III. führte, erhob im Zuge der Vorverhandlungen zum Wiener Kongress 1814 das Kurfürstentum Hannover zum Königreich. Dieses Ereignis durfte Carl von Alten anlässlich der Feierlichkeiten zu seinem 50. Geburtstag am 20. Oktober 1814 den jubelnden Bürgern Hannovers verkünden.
Im folgenden Jahr kam es zu der Schlacht bei Waterloo, deren Siegeslorbeer neben Wellington und Blücher Carl von Alten gebührt. In dieser grausamen Schlacht verloren 25.000 Franzosen und 20.000 Hannoveraner, Engländer, Holländer, Nassauer und Preußen ihr Leben. Während der letzten Kampfhandlungen erlitt auch Carl von Alten eine schwere Verwundung.
1816 erfolgte die Auflösung der „Königlich Deutschen Legion". Nach Abschluss seiner Führungsaufgaben in Frankreich kehrte Carl von Alten Ende 1818 nach Hannover zurück und es begann der sesshafte Teil seines Lebens. In der Nähe des Leineschlosses kaufte von Alten von Prinz Carl von Schwarzburg-Sondershausen ein Wohnhaus, das "von Alten Palais" (später "Friederikenschlösschen"). Soweit es seine Zeit zuließ, verbrachte von Alten die Sommermonate auf dem Gut in Wilkenburg.
Unter Franz von Altens Leitung war das Gut in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Ländereien (Kronsberg und Graßdorf) und auch das hannoversche Stadthaus der Familie in der Leinstraße gingen verloren. Carl von Alten sorgte 1818 dafür, dass auf dem Gut ein Verwalter eingesetzt wurde, der die wirtschaftliche Lage verbessern konnte. 1823, nach dem Tod Franz von Altens, fiel das Gut Wilkenburg seinem Bruder Carl zu.
Im Jahre 1830, nach dem Tod Georg IV., bestieg sein Bruder, Wilhelm IV. (1765 -1837), den Thron von Großbritannien und Hannover. Er führte 1831 seinen Bruder Adolph Friedrich, Herzog von Cambridge, als Vizekönig in Hannover ein.
König Wilhelm IV. ließ zum Gedenken an die Schlacht von Waterloo von G.L.F. Laves in Hannover auf dem Waterlooplatz eine Gedenksäule erbauen. Die Waterloosäule wurde am 18. Juni 1832, dem Jahrestag der siegreichen Schlacht, eingeweiht. Carl von Alten stand im Mittelpunkt des Festaktes. Seine militärischen Leistungen fanden internationale Anerkennung durch Ordensauszeichnungen aus Hannover, Großbritannien, Österreich, Rußland, Preußen, Portugal. Frankreich und den Niederlanden.
Die Personalunion mit Großbritannien endete 1837 mit dem Tod König Wilhelm IV. Sein Bruder Ernst August, Herzog von Cumberland (1771 • 1851) zog um 28. Juni 1837 als König in Hannover ein. In Großbritannien bestieg Victoria (1810 - 1901) den Thron. Unter Ernst August führte Carl von Alten das Kriegsministerium des Königreiches Hannover weiter. Zusätzlich beschäftigte er sich mit der Reformierung des Heerwesens.
Im Spätsommer 1839 brach Carl mit seinem Neffen Georg zu einem längeren, lang ersehnten Urlaub nach Rom auf und verbrachte dort den Winter. Auf der Rückreise erlitt der 75-jährige am 18. April 1840 in einem Bozener Gasthaus einen Schlaganfall. Ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben, starb Carl von Alten zwei Tage später in der Nacht zum 20. April 1840. Der Leichnam wurde einbalsamiert und mit einer Extra-Postkutsche bis zur Poststation Pattensen transportiert, wo er 6 Tage später eintraf.
In der Familie von Alten wird erzählt, dass Georg seinen "eisernen Onkel", wie Carl von Alten noch heute respektvoll genannt wird, angezogen in die Postkutsche setzte, so, als wäre er lebendig, um die Schwierigkeiten an den vielen Grenzpassagen zu umgehen.
Von Pattensen aus wurde der Leichnam unter Teilnahme der rangältesten Offiziere der hannoverschen Armee in einem Trauerzug zum Gut Wilkenburg geleitet. Die Trauerfeier fand am 2. Mai 1840 an der Familiengrabstätte auf dem Gut Sundern statt. Der Sarkophag wurde vom Wilkenburger Herrenhaus beim Läuten der Kirchenglocken und unter Trauersalutschüssen einer Batterie in einem Trauerparadezug übergeführt. Hieran beteiligten sich Abordnungen aller Regimenter der Garnison Hannover. Die Beisetzung des Sarkophags erfolgte vorläufig in einer mit Mauerwerk verschlossenen Gruft.
Einige Tage vor der Beisetzung kam König Ernst August unerwartet und ohne Begleitung nach Wilkenburg und verweilte in sichtbarer Rührung am Sarg seines Generals und Ministers.
Carl von Alten hatte noch selbst am Gut Sundern an einem verlandeten Leinearm den Platz für eine Familien-Grabkapelle (Mausoleum) bestimmt. Von dem Gut Sundern sind nach einem Brand 1928 nur noch Restgebäude übrig geblieben. Bis zur Fertigstellung des Mausoleums 1842, wurde der Sarkophag wieder aus der Gruft geholt und beim Gut Wilkenburg in einem an ein Tagelöhnerhaus provisorisch angebauten Schuppen aufbewahrt.
Nach dem Tod von Altens beschloss die Bürgerschaft Hannovers, ihrem General, der die Geschichte Europas im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts mitgeprägt hatte, ein Denkmal zu errichten. Nach einem Entwurf von G.L.F. Laves schuf der Bildhauer Heinrich Kümmel ein Bronzestandbild, das am Waterlootag, am 18. Juni 1849, am Waterlooplatz in Hannover feierlich enthüllt wurde.
Die Gebeine des Generals Graf Carl von Alten fanden 1958 ihre letzte Ruhestätte in der Neustädter Hof- und Stadtkirche St, Johannis in Hannover, nachdem im Mausoleum in Wilkenburg die Totenruhe infolge von Einbrüchen und Vandalismus nicht mehr gewährleistet werden konnte.
Die Carl von Alten verliehene Grafenwürde war nur auf seine leiblichen, erstgeborenen, männlichen Nachkommen vererbbar. Da er jedoch unverheiratet war und auf Grund seiner in der Schlacht von Waterloo erlittenen Verletzung auf Nachkommen verzichten musste, hatte er den Prinzregenten Georg IV. ersucht, die Grafenwürde auf seinen Bruder Victor zu übertragen. Der Prinzregent erhob darauf auch Victor in den Grafenstand. Victors Sohn Carl Franz Victor, königl. Hannoverscher Geheimrat, erbte den Titel, wurde 2. Graf von Alten, war Herr auf Wilkenburg und Sundern, und wurde 1879 ebenfalls im Mausoleum im Sundern beigesetzt. Sein erstgeborener Sohn, Carl Friedrich Franz Victor - General und zuletzt Flügel-Adjutant Kaiser Wilhelms I. - war der 3. Graf von Alten und auch Herr auf Wilkenburg; er starb 1901 in Gainfarn (Österreich).
1904 wurde das Gut Wilkenburg mit dem Sundern von der Familie von Alten verkauft.
Text: Klaus Stüber
Bilder:
oben: mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museums Hannover
unten: Wikipedia.de/User:AxelHH